Das untere Siebertal – zwischen Sankt Andreasberg und
Herzberg – ist sicherlich eines der reizvollsten Täler im Südostharz. Nicht von
ungefähr kommt es, dass der weitgehend unberührte Fluss Sieber von der Quelle
am Bruchberg (mit einer Höhe von 927 m üNN. dritthöchster Berg des Harzes) bis
zu seiner Einmündung in die Oder bei Hattorf am Harz im westlichen Harzvorland
unter Naturschutz gestellt ist. In das geschützte Gebiet wurden einige
Talbereiche des der Sieber zufließenden Baches „Gr. Kulmke“ aufgenommen.
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Die „Große Kulmke“ kurz vor ihrer Einmündung in die „Sieber“ |
Auch die Fundstelle, die ich heute kurz vorstellen möchte,
ist davon „betroffen“: Halde, Schacht- und Stollenpinge liegen im
Naturschutzgebiet. Vor Ort entsteht schnell der Eindruck, dass die Grenzlinie
bewusst so geplant, der unmittelbare Schutzbereich links und rechts der Sieber
bzw. Großen Kulmke bewusst so verbreitert wurde, damit der unter
Harzmineral-Sammlern bekannte Aufschluss jeglichem Zugriff entzogen wird. Für
die auf der anderen Talseite liegende Hüttenschlackenfläche mit einer seltenen
Schwermetallflora mag der Schutzgedanke nachvollziehbar sein, für die Böschung
im Bereich der ehemaligen Kupfererzgrube „Henriette“ allerdings nicht.
Kurz darauf zieht sich die Grenze des Naturschutzgebietes wieder ganz eng zurück
an den Bachlauf heran. Signifikante Unterschiede zwischen den Zonen innerhalb
und außerhalb des Gebietes sucht man vergebens: Der Bereich der „Henriette“
wurde quasi einverleibt.
Entwurzelt
Nicht nur an dieser Stelle zeigt sich das unschlüssige Hin-und-Her-Lavieren
der Lokalpolitiker im Spannungsfeld von Naturschutz – Nachindustrieller Nutzung
– Bewahrung der Kulturgeschichte. Im Klartext: Nach Einstellung der
Bergbauaktivitäten im Harz versucht man, sich fast allein durch den Wirtschaftsfaktor
„Fremdenverkehr“ über Wasser zu halten. (Dass dieses in Summa nur mehr schlecht
als recht gelingt, zeigen viele marode Ortschaften mit stark sinkender
Bevölkerungszahl.) Ruhe und Erholung in einer annähernd „intakten
Naturlandschaft“ sind hierbei wichtige Faktoren; das Ausweisen von
Schutzgebieten daher konsequent, wünschenswert und richtig. Soweit, so gut.
Nicht nachvollziehbar ist hingegen der massive Ausbau des
Angebotes an Freizeitaktivitäten, die genau in die andere Richtung stoßen: Abgeholzte
Buckelpisten für Skifahrer, Langlauf-Loipen im Nationalpark, Cross-Parcours für
Montainbiker durch schützenswerte Landschaftsteile u.v.a.m. Das bringt
Einnahmen, die Natur leidet aber gleichzeitig. Der Spagat im Fremdenverkehr
zwischen naturerhaltenden und naturzerstörenden Maßnahmen gelingt (hier) nicht.
Ganz böse hat es hier die Bewahrung der jahrhundertealten, kulturgeschichtlich
bedeutenden Objekte im Harz erwischt. Nur wenige Initiativen ist es zu
verdanken, dass die kulturellen Wurzeln der alten Bergbaulandschaft in
Einzelfällen noch erhalten bleiben. Nach „Auszeichnung“ des Oberharzer
Wasserregals als bedeutendes Welt-Kulturgut habe ich allerdings den Eindruck,
dass man sich auf nur dieses beschränkt und die vielen anderen Spuren des
Bergbaus nicht beachtet, vergessen, unzugänglich gemacht oder bewusst beseitigt
werden.
Der kleine, montanhistorisch regional eher unbedeutende
Aufschluss der Grube Henriette ist ein gutes Beispiel hierfür: Mit der
Einverleibung in das Naturschutzgebiet „Siebertal“ und damit einhergehendem
Wegegebot ist der direkte Zugang eigentlich nicht mehr möglich. Ganz fatal (und
symptomatisch) verschwinden im Rahmen einer kleinen Baumaßnahme in Nähe des
Aufschlusses (und innerhalb der NSG-Grenzen) die markante Hinweistafel – die sog. „Dennert-Tanne“ des Harz-Clubs – auf nimmer Wiedersehen. Aus den Augen - aus dem Sinn. Nicht
nur hier. Die Bewahrung der eigenen kulturellen Wurzeln sieht anders aus. Der
Harz-Club hat leider vielleicht nicht mehr die Mittel, nicht mehr die
engagierten Mitglieder, die da entgegensteuern können. Vielleicht sieht mancher
die Tafeln als störend an oder schämt sich seiner Geschichte.
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In der Bildmitte: Die Haldenreste der Grube Henriette
direkt an der Straßenbrücke über die Große Kulmke
(Stand April 2011) |
Die Fundstelle
Der Straße von Herzberg am Harz nach Sankt Andreasberg folgend, zweigt
etwa 1 km östlich von Sieber - einem alten WaIdarbeiter- und Köhlerdorf - das
Tal der Großen Kulmke nach Norden ab. Nur wenige Meter nördlich der Brücke über
diesen Bach liegt der kleine Aufschluss unmittelbar am westlichen Bachufer.
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Blick zum Aufschluss. Im Vordergrund fliest die „Gr. Kulmke“. |
Die Halde ist zur Straßenseite hin stark zugewachsen (und
entsprechend unscheinbar). Auch die Fundmöglichkeiten in diesem Bereich waren
äußerst unterdurchschnittlich. Besser sieht es wenige Meter weiter bachaufwärts
in einem markanten Gelände-Einschnitt aus, der die Lage des ehemaligen
Tagesstollens markiert. Hier liegen zwischen großen Stücken oberdevonischer
Kieselschiefer und überwiegend unterkarbonischer Grauwacke heute noch erkennbar
wenige Handstücke derben Baryts. Schiebt man die Laubmengen beiseite, gelingt
es auch, den anstehenden, auskeilenden Barytgang zu erkennen.
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Bereich des verbrochenen Mundloches des Tagesstollens.
Heute der eigentliche Fundbereich der Grube Henriette
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Dieser gehört zum Henriette-Gangzug, einer der zahlreichen eher
kleinen, 0.7 bis 4 km kurzen Barytgänge
im Gebiet zwischen Sankt Andreasberg und Bad Lauterberg. Die nachgewiesene
streichende Erstreckung des Henriette-Gangzuges wird mit 1,5 km angegeben. Die
Entstehung erfolgte hydrothermal während der Heraushebung des Harzgebirges in
der Kreidezeit.
Der Bergbau im Siebergebiet beschränkte sich jahrhundertelang
nur auf Eisen und Kupfer. Erst im frühen 20. Jahrhundert begann man sich für
den begehrten Rohstoff Baryt zu interessieren. Der Henriette-Gangzug und seine
parallel südlich des Ganges liegenden Trümer sind nur örtlich mineralisiert/vererzt;
taube Bereiche trennen die kleinen Erzmittel voneinander. Kupfer- und
Kobalterze traf man nur im Bereich der ehemaligen Grube Henriette, ausschließlich
Kupfererze bei Erkundungsbohrungen unterhalb der Einmündung der Kulmke in die
Sieber an. Alle anderen Erzmittel lieferten vornehmlich Schwerspat und Quarz.
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Haldenoberfläche in 2011 |
Die Kupfererze des Henriette-Gangzug wurden in einem aufwändigen,
sicherlich kaum erfolgreichen Bergbau gewonnen. Von den vielen kleinen
Kupfergruben im Siebertal rangierte die „Henriette“ (und ihre Vorläufergruben)
mit großem Abstand zu den bedeutendsten Kupfergruben “Sonnenglanz“ und „Sonnenaufgang“
(am ehem. Forsthaus Schluft) eher am Ende. Auch das Schwerspatmittel wurde nur versuchsweise
erschürft - der Abbau auf der weiter östlich liegenden „Königsgrube“ war
lohnender.
Über die Anfänge des Kupfererzabbaus östlich der Ortschaft
Sieber, am Fuß des Lilienberges im Bereich des Zusammenflusses von Sieber und
Kulmkebach ist nur wenig bekannt. Man vermutet, dass mit der um 1550 in den
Urkunden erwähnten Kupferzeche „Erzbrunnen in der Sieber“ die
Bergbauaktivitäten begannen. (Anm.: Nach manchen Literaturquellen auch:
„Erzbrunnen an der Sieber“). Um 1620, in den Wirren des 30jährigen
Krieges, kam der unter der Talsohle betriebene Erzabbau zum Erliegen. Überreste
der alten, nicht näher dokumentierten Grubenbaue wurden im Zeitraum von 1957
bis 1975 bei Bohrungsarbeiten im Zusammenhang mit der geplanten Errichtung der
Oberen Siebertalsperre angetroffen (Bohrung Sieber 13 und 17). Zwei Gesenke mit
23 und 30 Meter Teufe stammen aus der Hauptbetriebsperiode vor dem 30jährigen
Krieg.
Die kleine Grube wurde 1746 aus dem Dornröschenschlaf
geholt. Die reichen Funde im benachbarten Sankt Andreasberg führten hier zu
einer Wiederaufnahme der Bergbauaktivitäten. Von der Kulmke aus fährt die Grube
„Lehnschaft
Sieber Aufnahme“ im Jahr 1747 einen 12 m langen Stollen auf - der
spätere Tagesstollen der Grube Henriette. In Folge der dabei angebrochenen
Kupfer-Vererzungen wurde der Tagesstollen im Jahr 1748 auf 35 m fortgetrieben
und ein Suchort aufgefahren.
Eine Verlängerung des Tagesstollens um weitere 50 m brachte
nicht den erhofften Erfolg. Nennenswerte Erzanbrüche stellten sich nicht ein.
Auch das Sümpfen der alten Baue an einem der beiden Gesenke erbrachte keine
sichtbaren Erzvorkommen. Das Sümpfen der Baue am anderen (westlichen) Gesenk
schlug fehl. Ein kleiner, 2 m langer Suchstollen auf der gegenüberliegenden
Talseite der Kulmke im (sich hier ändernden) Streichen des Hauptganges zeigte
die gleiche Mineralisation – Schwerspat mit kleinen Kupfererznestern - wie im
85 m langen Tagesstollen der Grube. Auch diese war enttäuschend. 1749 wurde der
Bergbau nach „Förderung“ von nur geringsten Mengen Kupfererz eingestellt; das
Material verblieb vor Ort.
1874 erfolgte die Verleihung des Grubenfeldes „Henriette“ auf
Kupfer.
Etliche, meist querschlägig angesetzte Suchstollen, teilweise
im Rahmen der Staudammplanung wieder aufgewältigt, sowie Aufschürfungen des
Schwerspatmittels in der näheren Umgebung - besonders im 20. Jahrhundert - erwiesen
sich als erfolglos. Tiefbohrungen durch die Harzwasserwerke lieferten zwar
Erkenntnisse über den Henriette-Gang und seiner Nebentrümer, bestätigte aber
die Bedeutungslosigkeit dieses Vorkommens. Die angetroffenen Schwerspatmengen
erwiesen sich als nicht abbauwürdig. Die angetroffenen Kupfererzmengen waren
unbedeutend. Das Talsperrenprojekt wurde 1978 aufgegeben.
Mineralisation
Die Mineralisation des Ganges ist nicht kontinuierlich. Nur
stellenweise sind die sich stark verästelnden und in der Tiefe schnell
auskeilenden Barytgänge neben völlig tauben Zonen vorhanden. Die Kupfererze
traten in den Abbauen verwachsen im weißen und rötlichen Baryt nur nesterförmig
auf. Geringe Spuren von Safflorit werden mit den Gangsystemen im Sankt
Andreasberger Gebiet in Beziehung gebracht. Er gilt als Lieferant des Arsens,
der in eine Reihe hier nicht alltäglicher Sekundärminerale wiederzufinden ist
und viele Sammler auf die inzwischen stark abgesuchte Halde zog. Herauszuheben
ist hier sicherlich der Tirolit, der für lange Zeit im Harz nur hier
zu finden war. Zwischenzeitlich erfolgte der Nachweis auch an anderen
Fundstellen. In 2008 gelang es mir, mit Mühen und großem Glück einige wenige,
eher unansehnliche Belegstücke von Tirolit zu finden. Dagegen stellten sich der
Bornit
– die andere „Besonderheit“ der Grube Henriette – häufiger in Form kleiner
Körner und Butzen im Baryt ein. Bei meinen beiden letzen Besuchen im Jahr 2011
war davon nichts mehr zu finden.
Die Gangarten
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Ankerit
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Ca(Fe2+,Mg,Mn)(CO3)2
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Baryt
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BaSO4
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In tafeligen Kristallen, milchig bis 3 mm in Grauwacke
häufig; wasserklare, äußerst
flächenreiche Kristalle selten in Klüften des Baryt neben Malachit und
Chalkopyrit
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Calcit
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CaCO3
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Quarz
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SiO2
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Auf schmalen Klüften des Nebengesteins in winzigen
Kristallen
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Siderit
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Fe2+CO3
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Die Erze
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Anilith
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Cu7S4
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Gemäß „Mineralienatlas.de“
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Bornit
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Cu5FeS4
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Meist in Baryt eingesprengte
typisch bronzefarbene Butzen;
Auch
schwarzviolett oder sonst bunt angelaufen. Gänge ziehen sich auch in die
Grauwacke hinein.
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Chalkopyrit
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CuFeS2
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Chalkosin
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Cu2S
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Galenit
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PbS
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Luzonit
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Cu3AsS4
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Gemäß „Mineralienatlas.de“
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Safflorit
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CoAs2 (± Fe,Ni S)
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In Spuren, nach KUMMER (1932)
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Skutterudit
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CoAs3-x
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graue,
geringmächtige Schlieren in Gangart
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Die
Sekundärbildungen
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Azurit
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Cu3(CO3)2(OH)2
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Ba-Pharmakosiderit
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(Ba,Ca)0.5-1Fe43+[(OH)4-5|(AsO4)3] · 5-7H2O
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Winzige, bis 0.2 mm kleine
grünlich bis gelbbraune Würfel neben Bornit und Quarz; als Kruste in
Spaltrissen des Bornits.
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Brochantit
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Cu4(OH)6(SO4)
|
„schmieriger Überzug“ auf
Bornit und in kleinen, grün-schwärzlichen
Kristallen
|
Chalkophyllit
|
Cu182+Al2(AsO4)3(SO4)3(OH)27
· 33H2O
|
Frei auskristallisierte
Blättchen bis 0,5 mm in Baryt
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Chrysokoll
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Covellin
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CuS
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Oxidationsprodukt von
Chalkopyrit und Chalkosin
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Cuprit
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Cu2O
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Langit
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Cu4(SO4)(OH)6
· 2H2O
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Langprismatische, blaue, meist
verzwillingte Kristalle
|
Malachit
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Cu2(CO3)(OH)2
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Feine Nadeln, gerne
rasenförmig, bis 1 mm neben Bornit, frei in Barytzwickeln oder als Klüftchen
in der Grauwacke.
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Olivenit
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Cu2AsO4(OH)
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Kleine Nadeln, auch dickprismatische,
olivgrüne Kristalle bis zu 0,3 mm neben Bornit und auf Spaltflächen der
Grauwacke
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Pyromorphit
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Pb5(PO4)3Cl
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Gelbe, undeutliche Nädelchen
neben stark verwittertem Bleiglanz sollten P. sein.
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Meta-Zeunerit
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Cu(UO2)2(AsO4)2 · 8H2O
|
Winzige, hauchdünne Tafeln
(nach GRÖBNER et al.)
|
Tirolit
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CaCu5(AsO4)2(CO3)(OH)4·6H2O
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in flachen, radialstrahlig angeordneten Blättchen ("Sonnen") von
schillernd blaugrüner Farbe auf Spaltflächen, bis 1 cm Durchmesser
|
Dafür kamen andere schöne Mikromineralien zum Vorschein: In
zwei großen Grauwackestücken fanden sich direkt am Übergang eines
fleischfarbenen Barytklüftchens zur Grauwacke untereiner leicht limontisierten
erdigen Grundsubstanz neben verwittertem Kupferkies freistehende feinnadelihge Malachite
(Igel bis 2 mm Durchmesser) auf wie Zuckerkristalle hingestreute
Baryt-Kristalle bis 1 mm in nie gesehener wasserklarer Ausbildung mit vielgestaltigen
Kristallflächen. Auch der Fund eines 0,5 mm großen, typischen
Chalkophyllit-Aggregates in einem winzigen Barytzwickel sowie eines Belegstückes
mit Olivinit (vermutet, noch nicht analysiert) gelang mir mühelos.
So betrachtet haben sich die Kurzbesuche mit oberflächlichem
Absuchen gelohnt. Eine Nachsuche nach dem außergewöhnlich attraktiven
Rohmaterial blieb aber erfolglos. Und ich bezweifle, dass jegliche Grabaktionen
im eng begrenzten Fundareal eine Verbesserung der nicht gerade überwältigenden
Fundmöglichkeiten bewirken. Beachten Sie die Bestimmungen bei Naturschutzgebieten.
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